»I met a woman
She had a mouth like yours
She knew your life
She knew your devils and your deeds
And she said
Go to him, stay with him if you can
But be prepared to bleed«
Sollte ich den schönsten Moment beschreiben, wäre es der Abend auf deinem Balkon in Berlin. Es war Spätsommer, die Spree floss an uns vorbei, wir viel höher, noch viel höher, als wir thronten auf den Holzstühlen an einem wackligen Tisch, im Hintergrund der Grill auf dem die fettesten Garnelen brutzelten. Du sahst so verliebt aus und du warst es auch, das weiß ich ganz genau; und ich war es – bilde ich mir ein – genauso doll, wie du. Das Kerzenlicht, was dunkle Schatten in dein Gesicht zeichnete, machte dich so schön. Ich wünschte dieser Moment wäre nie verstrichen, alles irgendwie konservierbar geworden, doch dann sehe ich mich Jahre später…
…in irgendeiner Küche in Berlin. Du bist allein. Wir haben uns mehr als ein Jahr nicht gesehen. Ich habe den ganzen Tag gearbeitet, war stundenlang mit dem Auto unterwegs, rauchte und rauchte jede freie Minute, wusste, du bist wieder da, trotzdem wo ganz anders.
Als wir uns das letzte Mal sahen, war der Balkon nicht weit entfernt, wir zusammen. Jetzt stehe ich auf deinem neuen Balkon, der gar nicht deiner ist, rauche und schaue auf die vorbeifahrenden S-Bahnen. Du sitzt drinnen auf deinem Sofa oder dem deiner Freundin, deren Zimmer du bewohnst für eine Weile. Ich drehe mich um und gucke durch die Scheibe, sehe die Glut meiner Zigarette im Fenster reflektieren, dich, deine Strumpfhosen-Knie im Arm, ins Leere blicken, als wäre da auch einfach nichts anderes – nicht füllbar, nicht fühlbar – drehe mich wieder zur Stadt, die mir immer viel zu voll war. Ich wusste dich nie zu schätzen, habe dich wie ausgeraubt, war egozentrisch, wie immer eigentlich; und jetzt stehe ich hier und bin total verliebt und unglücklich zu gleich; und du, bilde ich mir ein, überhaupt nicht unglücklich, aber verliebt, nur nicht in mich. Ich kann nicht gehen und ich kann nicht bei dir bleiben, weiß, dass ich irgendwann gehen muss und will es schnell machen, doch immer, wenn ich dich ansehe, sehe ich den schönsten Moment, wie in deinen Augen Kerzen brennen, kann nicht weg.
Du hast mir Salat gemacht und italienisches Brot und Tee, ich war total hungrig, aber konnte nicht essen. Mir war total schlecht, doch ich drängte mir so viel wie möglich rein, damit du zufrieden bist. Du frugst mich so viele Sachen, so viel, womit ich niemals rechnete, ob ich noch was von dir will – wie kommst du drauf? Sage Ja, wie überfahren, und hätte wohl nie kommen sollen. Als wir später im Türrahmen standen, uns im Arm hielten, dachte ich an früher – du wahrscheinlich nicht. Ich ließ dich los, dachte, du hättest es wohl nie getan, ging ein Stück aus der Tür, nahm deine Hand mit einem letzten Blick in deine schiefen Augen – wie ein Bilderrahmen, ein bisschen schief gehangen – und konnte dich nicht küssen, war doch schon zu weit weg. Ich wusste, dass du es auch nicht wolltest, dachte, damit hätte ich alles endgültig zerstört. Jetzt ärgere ich mich darüber, aber gemacht hätte ich es nie. Ich ließ deine Hand los – so langsam, wie nur möglich. Es sollte das letzte Mal sein, dass wir uns sehen. Die Heimfahrt mitten in der Nacht, der absolute Blindflug, alleine mit meinen Gedanken auf der Autobahn, das Gas auf Anschlag, alles ganz verschwommen. Mietwagen, Rauchverbot, Scheißegal.
Sollte ich den schönsten Moment beschreiben, wäre es wohl der Tag an dem wir uns wiedersahen, du zurück in Berlin, allein, hättest auf mich gewartet, so wie ich auf dich. Hatten keinen Kontakt seit Monaten, wussten doch irgendwie, dass wir zusammen gehören. Wir hätten im Winter trotzdem draußen gesessen und Bier getrunken und geraucht und gelacht bis wir uns irgendwann geküsst hätten, nicht im Türrahmen, sondern auf deiner Couch und dann die ganze Nacht zusammen, Arm in Arm, als wäre es das Normalste überhaupt. Doch ist das nie passiert und der schönste Moment gehört immer noch dir – in der Leere ganz verschwommen.