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BEIFAHRERFLUCHT

»Die Räder drehen durch, wie 16jährige in der Kinderdisko, und wir fahren ’ne gefühlte Ewigkeit auf der Stelle, bevor wir mit quietschenden Reifen über die Kreuzung schießen, während das Heck hin und her schleudert, wie der Arsch von Katrin Sackmeyer aus der 12 b auf der Abi-Party letztes Jahr.«
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WAS IST NUR AUS
UNS GEWORDEN?

»Jeder 'ne Flasche in der Hand, berührten sich manchmal unsere Hände. Trinkpausen zerschnitten aufgebaute Nähe – halb tanzend, halb trinkend – welche nach jedem Schluck wieder hergestellt wurde.«
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BLECHBÜCHSE

»Am Ende der Straße wächst eine Ruine aus dem Boden, ein Stück Fassade, drum herum Erdlöcher, wie nach einem Luftangriff. Weiträumig umzäunt von Strichcodes und Silhouetten von Radfahrern, Kindern, Musikern, Blumen, schwarz-weiß, durch dessen Knospen die Baustelle zu sehen ist, die Baustelle am Brühl, wo mal die Blechbüchse stand. Unter jeder einzelnen Schuppe steckten Geschichten, unter jedem einzelnen Stück ihres Aluminiumpanzers, der wie eine Ritterrüstung schien, die jetzt zerbrochen wurde. Mehr als ein Stück des Personaleingangs, durch den meine Großmama immer auf die Arbeit ging, ist nicht zu sehen, der Panzer abgelegt. Das letzte Stück Vergangenheit wird gehalten durch ein Stahlgerüst - wie eine Rentnerin an einem Stock. Die letzte Erinnerung bleibt. Bagger mit Schaufeln und Schlaghämmern kratzen und nagen sich in die gefallenen Überreste. Kipper fahren die zertrümmerten Fragmente irgendwohin; und irgendwann steht hier wieder etwas Neues.«
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RAUFASERTAPETE

»In der S-Bahn beobachte ich die Menschen. Alle schauen leer in die Finsternis. Ich laufe nach Hause. Es ist Montag. Jeder Tag ist der gleiche. Es ist Freitag. Jeder Tag ist der gleiche. Es ist Sonntag. Morgen ist wieder der gleiche Tag.«
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SOMMERSPROSSEN

»Ihre Augen sind groß. Außen sind sie weiter unten als Innen, wie ein Bild, ein bisschen schief gehangen. Wenn sie weint, was sie tut, nicht jetzt, aber zuhause, laufen die Tränen sicher Außen über die Wange, nicht Innen an der Nase entlang.«
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BLITZ EIS

»Sie kam zu mir, wie immer, und legte sich in meinen Arm, wie immer und doch war alles nicht, wie immer. Wir saßen zusammen mit Freunden und es wurde Wein getrunken und Gras geraucht, gelacht und gefressen und am Ende kam sie mit zu mir, wie immer. Ich hatte keine Ambitionen mit ihr zu schlafen und sie auch nicht. Wir waren beide irgendwie verliebt, nur nicht ineinander.«
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BLINDFLUG

»Ich drehe mich um und gucke durch die Scheibe, sehe die Glut meiner Zigarette im Fenster reflektieren, dich, deine Strumpfhosen-Knie im Arm, ins Leere blicken, als wäre da auch einfach nichts anderes – nicht füllbar, nicht fühlbar – drehe mich wieder zur Stadt, die mir immer viel zu voll war.«

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